16.4.05

Rechtsradikale

Es gibt Themen, mit denen ich mich ziemlich wenig auseinander setzte. Dazu gehören z.B. Rechtsradikale. Warum ist das so? Zwei Antworten fallen mir sofort ein:

a) Ich lebe in einer recht ruhigen Mittelklasse-Gegend. Es gibt keine Probleme mit Einheimischen, Ausländischen, Linken oder Rechten. Das macht es mir einfach bestimmte Entwicklungen in der Nation zu ignorieren.
b) Angst. Im Gegensatz zur gewaltbereiten Linken, muss man (das ist zumindest mein Eindruck) bei der gewaltbereiten Rechten eher mit körperlichen Angriffen auf Person und Familie rechnen, wenn man den Kopf aus der Bevölkerungsmasse herausstreckt und eine kritische Meinung äußert. Für die meisten Opfer rechter Gewalt war es ausreichend zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

Ich habe vor Jahren das Buch "Hitlers Urenkel" von Andreas Marneros gelesen. Er schreibt aus der Sicht eines Psychologen, der beruflich viel mit rechtsradikalen Gewalttäter (Schläger, Vergewaltiger, Mörder) zu tun hat. Er kommt unter anderem zu folgendem Schluss:
Die gründlichen Analysen der Persönlichkeit und Verhaltensmuster, das Studium der Biographien »meiner« rechtsextremistischen Gewalttäter und meiner lange Reise durch die Literatur halfen mir dabei, drei wirksame Waffen gegen rechtsradikale Gewalttätigkeit zu identifizieren. Gewiss gibt es mehr. Aber die drei boten mir die Neonazi-Gewalttäter in ihren Gefängniszellen selbst. Drei Waffen gegen rechtsextremistische Gewalttäter, nicht gegen des Rechtsextremismus.

Die erste Waffe ist das Image.
Die zweite Waffe ist die Scham.
Die dritte Waffe ist die Angst.

Die Kombination dieser drei Waffen kann vielen Image suchenden, schamlosen, angstvoll verneinenden und jungen rechtsextremistischen Gewalttätern den Baseballschläger, den Molotowcocktail oder das Messer aus der Hand nehmen. Die Springerstiefel und die Bomberjacke ausziehen.

Diese Waffen nützen nicht gegen des Rechtsextremismus im Allgemeinen, nicht gegen die Schreibtischtäter, nicht gegen die Theoretiker und Drahtzieher. Nicht gegen die Finanzierer und ultrarechten Medien. Sie können aber wirksam sein gegen die Totschläger und Gewalttäter. Gegen die Neonazis auf der Straße. [...]


Marneros' Ratschläge sind wohl vor allem an die Politiker gerichtet, sind sie es doch, die in diesem Land die Richtung vorgeben (sollten). Aber ...

Heute bin ich durch Zufall auf diese Diskussion rechtsradikaler Liedertexte gestoßen und war doch etwas überrascht über die zum Teil tumben Hasstiraden, mehr noch aber über die subtile, vereinnahmende Kraft, die von manch anderen Passagen ausgeht.

Gerade als Vater mache ich mir natürlich Gedanken, wie ich meine Kinder schützen kann. Natürlich vor den direkten körperlichen Gefahren, mehr jedoch vor den geistigen. Ich befürchte, dass Jugendliche gerade in Krisenzeiten (z.B. der Pupertät) Opfer solcher Einflüsterungen werden können:

» ... sind freundschaft und treue keine werte
zählen in dieser zeit nur noch schwindel und trug
lerne dich zu wehren vielleicht ist es noch nicht zu spät
dreh dich um und blicke zurück bevor die zeit vergeht
stolz geboren doch viel leid ertragen
ist das der grund für deinen niedergang
hast du sie vergessen, die schönen tage
stehst du mit dem rücken an der wand? ...

Refrain:
schlag' zurück, schlag' zurück,
finde die spur, der du einst folgtest,
schlag' zurück, schlag' zurück, schlag' zurück,
besessen warst du einst von deinem ideale,
schlage zurück.« (Quelle)


Was kann man also als Einzelner tun?

Image: Ich kann ein Vorbild sein. Für meine Kinder, vielleicht auch für andere. Das setzt eine gewisse Grundhaltung, ein Wertesystem (Ehrlichkeit, Treue, Fairness, Integrität, ...) voraus.
Scham: Ich kann deutlich machen, was akzeptabel ist und was nicht. Auch das setzt auf einem gefestigten Wertesystem auf. Gewalt ist nicht akzeptabel. "Sag mal, schämst Du Dich nicht?".
Angst: Es gibt Regeln und an die müssen sich alle halten. Die Konsequenzen bei Überschreitung der Grenzen müssen klar sein. Strafen erfolgen angemessen und prompt.

Dieses System wirkt vielleicht starr und unflexibel. Vor allem der Teil mit den Regeln. Das muss aber nicht sein. Veränderung gehört zum Leben und Regeln funktionieren nur, wenn sie von allen (na sagen wir mal von den meisten) akzeptiert und von Zeit zu Zeit hinterfragt werden. Starr sind nur die Konsequenzen. Ohne Konsequenzen gelten Regeln nur für die Gutmütigen und Dummen. Zumindest zu den Dummen will keiner freiwillig gehören.

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