17.4.05

Beziehungskunde braucht die Jugend

Unter dieser Überschrift stieß ich heute in der FAS auf einen Artikel von Eberhard Rathgeb, der allen Ernstes ein neues Schulfach vorschlägt: Beziehungskunde.
Dort, stellen wir uns vor, können Mädchen und Jungen die Grundregeln der Beziehungen lernen. Mit diesem Wissen wäre ihnen im Leben ganz sicher geholfen - schaden kann es jedenfalls nicht.
Spätestens mit dem Eintritt die Pubertät durchleiden wir unzählige Lernzyklen in der Schule des Lebens. Trial-and-error auf die harte Tour: Wir verlieben uns in die Falschen und wir erkennen es nicht, die Richtigen verlieben sich in uns und wir erkennen es auch nicht. Die einen vergeuden Monate, manchmal Jahre weil sie zu schüchtern sind, die "große Liebe" anzusprechen, die anderen brauchen genau so lange um sich aus einer Beziehung zu befreien. Die einen stecken die Enttäuschungen weg, die anderen flüchten sich in Drogen oder den Tod.

Was hat die Schule damit zu tun? Wozu sind denn die Eltern da? Die Eltern geben Ihre Erfahrungen sicher gerne an ihre Kinder weiter. Aber was ist das wert? Erstens, vielen Menschen fehlt die Fähigkeit der Reflektion. Sie haben - kurz gesagt - nichts aus Ihren Leiden gelernt. Und die, die über die eigenen Erfahrungen nachgedacht haben und guten Rat parat haben, kennen nur ihre eigenen Geschichten. Das wäre so, als würde in Erdkunde nur Rosenheim und Mallorca besprochen, weil der Lehrer sonst noch nirgends war. Zweitens, viele erinnern sich nicht mehr an das Chaos und die Intensität der Gefühle. Ein: "Das ist nicht so schlimm. There is other fish in the sea." ist nicht wirklich hilfreich. In dem Moment ist es so schlimm. Scheiß auf die anderen Fische! Drittens hat fast kein Jugendlicher ein so suuuper Verhältnis mit seinen Eltern, dass er diese in alle quälenden und manchmal peinlichen, ja entwürdigenden Details einer gescheiterten Beziehung einweiht. Die meisten pubertierenden Jugendlichen haben noch nicht einmal ein brauchbares Verhältnis zu sich selbst. Wer's nicht glaubt, liest einfach einmal ein paar private Blogs.

Und warum soll's dann gerade die Schule richten? Nun, soll und nicht die Schule soll auf das Leben vorbereiten. Was soll sonst der wahrscheinlich ernst gemeinte Spruch "Für das Leben lernst Du, nicht für die Schule."?

Es sollte angesichts der riesigen Menge an entsprechenden psychologischen Forschungen und Ergebnissen [...], die sich ja auch bei der Lösung von Erwachsenenproblemen bewährt haben [...], nicht schwer fallen, einen Lehrplan für das Fach Beziehungskunde zusammenzustellen. Um das Interesse der Jugendlichen müsste man sich wohl kaum Sorgen machen [...]
Deutsch-, Französisch-, Englisch-, ja vor allem Latein- und Griechischlehrer haben doch eine Menge Geschichten, die sich vor allem um Beziehungen drehen, gescheiterte meistens, aber auch geglückte.

Wenn es recht ist, dass "die deutsche Wirtschaft" jammert, dass die Jugendlichen von den Schulen und Universitäten nicht auf das Arbeitsleben vorbereitet würden, dann ist es nur billig, wenn die deutsche Jugend jammert, die Schulen würden sie nicht auf das Liebesleben vorbereiten.
Muss es denn sein, dass ein Junge in die Liebenbeziehung wie ein Maulwurf tappt, der keinen Schritt voraussehen kann?

Keine Kommentare: